Social Commerce: Hype oder Must-have?
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Social Media ist aus unseren Köpfen nicht mehr wegzudenken. Längst wurde erkannt, dass die Plattformen mehr Potential bergen als nur die private Nutzung. Unser ständiger Alltagsbegleiter wird daher mittlerweile auch zum Shoppen genutzt, sodass Verkauf und Entertainment sich nach und nach vermischen und teilweise kaum zu unterscheiden sind.
Unternehmen nutzen im Social Commerce die sozialen Netzwerke als Werbeplattformen und geben basierend auf dem persönlichen Nutzerverhalten Kaufempfehlungen. Hat der potentielle Kunde in seinem Feed ein Produkt gefunden, dass ihm gefällt, kann er direkt kaufen oder zum Onlineshop weitergeleitet werden.
Unternehmen profitieren auf zweierlei Art von Social Commerce:
- Zum einen machen sie über die regelmäßige Pflege ihres Social Media Auftritts ihre Marke oder auch ihre Produkte und Services bekannter.
- Zum anderen kann der Verkauf über E-Commerce Integration rasant angekurbelt werden.
1. Social Commerce – Ein Überblick
Der Hype um Social Commerce begann so richtig im Jahr 2017. Pinterest brachte seinen “Shop the Look”-Bottum auf den Markt und veränderte damit den E-Commerce grundlegend. Für die Nutzer war es nun möglich – damals jedoch nur wenige – Produkte wie Handtaschen oder Sneaker über die Plattform direkt zu kaufen ohne sie verlassen zu müssen.
Was damals noch neu und aufregend war, gehört heute zum guten Ton für viele Online Shops auf den Social Media Kanälen. Netzwerke wie Instagram und Facebook haben die Shopping-Funktionen integriert, sodass der Nutzer über Kennzeichnungen schnell erkennt, ob es sich um einen werblichen Inhalt handelt und ob die Produkte zu erwerben sind. Das ganze kann zusätzlich mit Werbe-Budget promoted werden, sodass der Post auch bei Usern im Feed auftaucht, die den Account nicht abonniert haben, aber zu der Zielgruppe gehören.
2. Welche Produkte eignen sich für Social Commerce?
Aus dem Wissen über das Profil und die Situation der User können Unternehmen eine Vielzahl an Möglichkeiten für eine erfolgreiche Produkt- und Marketingstrategie ableiten.
Die richtige Produktauswahl
Der erste und wichtigste Aspekt für ein erfolgreiches Social Commerce Produkt ist der notwendige Wow-Faktor. Das Produkt muss optisch so stark aus dem Feed herausstechen, dass es die Aufmerksamkeit des Users auf sich zieht und lange genug hält, um einen Kaufimpuls auszulösen. Der Wow-Faktor kann auf zwei unterschiedlichen Ebenen vorhanden sein:
- Auf der emotionalen Ebene wird ein (Lebens-)Gefühl projiziert, welches der User durch das Produkt erhält.
- Auf der praktischen Ebene wird der Mehrwert, welches das Produkt bietet, überzeugend und verständlich auf den ersten Blick dargestellt.
Der zweite ausschlaggebende Aspekt ist der Preis. Dieser muss innerhalb einer Spanne liegen, welche die User ungeplant bereit und fähig sind auszugeben. Als Faustregel gilt hier eine Spanne zwischen 10 und 100 €. Alle Beträge darüber können User potenziell abschrecken, überraschen oder den finanziellen Rahmen sprengen. Außerdem darf das Produkt keine zu große Veränderung im Leben des Users bewirken, um möglichst wenig mentale Reibungspunkte im Kaufprozess auszulösen.
Das Marketing der künstlichen Verknappung
Basierend auf dem Profil der Impulskäufer können durch eine besondere Marketingstrategie zusätzliche Wow-Faktoren geschaffen werden. Durch eine künstliche Verknappung der Produkte kann ein besonderer Anreiz zum unmittelbaren Kauf entstehen. Beispiele für eine künstliche Verknappung sind:
- die Limitierung der Produkte auf eine bestimmte Stückzahl
- die Limitierung des Verkaufs auf einen begrenzten Zeitraum
- der ausschließliche Verkauf über Social Commerce
All diese drei Beispiele tragen zusätzlich zu einem sozialen Exklusiv-Status bei, welcher impulsiv besonders attraktiv erscheint. Mit diesen Tools können Unternehmen Social Commerce ab sofort gewinnbringend für sich nutzen. Im nächsten Kapitel zeigen wir, wer Social Commerce bereits erfolgreich betreibt.
3. Wer betreibt Social Commerce?
Besonders beliebt ist Social Commerce vor allem in der Fashion- und Kosmetik-Branche. Hier lebt der Verkauf insbesondere von gekonnter Inszenierung und Ästhetik, sodass sich die Fotowelt auf Instagram und Facebook besonders gut eignet. Dort beheimatete Influencer hatten 2017 die Nase vorn und ließen die Online-Umsätze deutlich steigen. Allein der Fashion-Onlinehandel erzielte 3,4 Milliarden Euro Umsatz durch die Beeinflussung von Social Media, zeigt eine Untersuchung seitens der IFH Köln aus dem Jahr 2018.
Das liegt vor allem daran, dass Social Media-Nutzer von vornherein als sehr online-affin gelten und eher zu Spontan- und Impulskäufen tendieren. Das berücksichtigen auch Händler, sodass 83% der Befragten mittlerweile mindestens einen deutschsprachigen Account auf Social Media wie Facebook, Instagram oder YouTube betreiben, um am Online-Handel teilzuhaben.
Weiterhin gibt die IFH Köln jedoch an, dass die Unternehmen bis dato nicht das Potential ausschöpfen, das vorhanden ist. Unternehmen sind nachwievor nicht flexibel genug, wenn es um die zielgruppengerechte Kundenansprache auf Social Media geht. Hier muss das Umdenken erst von Influencern erlernt werden.
Denn bisher haben vor allem Influencer das Social Media Game dominiert und daraus Profit geschlagen. Die Accounts, die oft für Inspiration und neue Ideen sorgen, haben über Kooperationen mit Unternehmen Produkte in ihrem Feed vermarktet. Auch sehr vorteilhaft für Unternehmen, da Influencer meist mit hoher Reichweite überzeugen und die Produkte sich nahtlos in den zielgruppenrelevanten Content einreihen.
Mit dem Wandel zum Social Commerce können nun sowohl Unternehmen als auch Influencer unabhängig voneinander selbst aktiv werden. Für wen sich das als vorteilhafter entwickelt, bleibt abzuwarten.
Entscheidend wird sein, wer es versteht, seinen Instagram Account richtig zu führen und so jeden Post zu einem Kauferlebnis verwandelt und damit für genügend Inspiration und Kaufanregungen sorgt. Das spielt natürlich vor allem Influencern in die Karten und macht Social Commerce auch für einzelne Personen interessant. Die kontinuierlich aufgebaute Reichweite und Fanbase ist eine riesige Abnehmerschaft, die die Influencer mit Leichtigkeit erreichen und begeistern können. Ist der eigene Merch erstmal designed und in Auftrag gegeben, kann das eigene Profil mit dem Online-Shop verbunden werden, sodass Influencer nicht mehr auf Kooperationen mit Unternehmen angewiesen sind.
4. Welche Charaktereigenschaften besitzt ein Social Shopper?
Für eine erfolgreiche Social Commerce Strategie ist es wichtig, die Umstände zu beachten, unter denen User Social Media Netzwerke nutzen. Instagram, Facebook, Pinterest und weitere Social Media Netzwerke werden genutzt, um mit Freunden in Kontakt zu bleiben, brandneue Nachrichten aus der Welt des Lieblingshobbys zu erfahren, oder die Bilder des vergangenen Abends anzuschauen. Es ist der perfekte Ort, um Zeit zu verschwenden. Social Media wird aber in der Regel nicht genutzt, um aktiv nach spannenden Produkten zu suchen. Aktives Shopping findet mehrheitlich über Amazon oder Google statt – nicht über Social Media.
Gleichwohl entdecken User über Social Media ungeplant neue Produkte. Global gesehen geben mehr als 25 % der User an, dass sie über Social Media entweder durch Werbung oder Empfehlungen neue Marken und Produkte entdecken.
Wollen Unternehmen User zum Kauf über Social Media bewegen, müssen sie also sogenannte Impulskäufe auslösen.
Impulskäufe sind Käufe, die nicht geplant und auch nicht erwartet waren, sondern lediglich aus einem Impuls heraus getätigt wurden. Diese Impulskäufe können durch geschickte Platzierung von geeigneten Produkten hervorgerufen werden, indem ein solch starkes Verlangen nach einem Produkt ausgelöst wird, dass die User dieses Verlangen sofort befriedigen wollen.
Bei der Präsentation der Produkte spielt für Social Shopper auch der sogenannte Social Proof eine Rolle. Social Proof bezeichnet die Tendenz von Menschen, das Verhalten anderer Menschen aus psychologischen oder sozialen Gründen zu kopieren. 22 % Prozent geben an, dass Gefällt-mir-Angaben die Wahrscheinlichkeit eines Kaufes erhöhen würden. Neben Gefällt-mir-Angaben sind auch die Kommentare ausschlaggebend, da User dort direkt Feedback geben und auch ansehen können. Im nächsten Kapitel zeigen wir aufbauend auf diesen Merkmalen von Social Shoppern, welche Produkte und Marketingmaßnahmen für Social Commerce besonders geeignet sind.
5. Wie kann der eigene Online-Shop in den Social Media Account integriert werden?
Über Dienstleister wie Shopify ist es jedem möglich, seinen eigenen Online-Shop zu erstellen und mit Social Media Netzwerken wie Instagram zu verbinden, sodass der Verkauf und das Promoten auch eigenständig gemacht werden kann.
Grundlegend wird für die Social Commerce Funktion auf Instagram folgendes benötigt:
- Facebook business page
- Business manager
- Instagram Business Profil
- ein eigener Online-Shop
Wer sich als Unternehmen auf Social Media positioniert, ist genau dort präsent, wo sich die eigenen Kunden oder potentielle Käufer bereits aufhalten. Wenn der User auf Instagram durch seinen Feed scrollt oder nach neuen Beiträgen sucht, ist er im Entdeckermodus ähnlich wie beim berüchtigten Windowshopping und sehr viel empfänglicher für gut aufbereiteten Produkt-Content. Denn der User wird in seiner Customer Journey abgeholt, bevor er überhaupt einen konkreten Kaufwunsch oder das Bedürfnis hat. Das frühe Abholen macht einen Kauf sehr viel wahrscheinlicher als der Kauf über die Google Suche, bei dem das gewünschte Produkt zunächst begehrt und aufgerufen werden muss.
Als Unternehmen muss man seine Produkte inklusive aller notwendigen Daten und Bilder bei Shopify ins System einpflegen. Instagram kann diese Daten auslesen und auf die Plattform übertragen. Über Produkt-Tags wird dem User gekennzeichnet, was käuflich erwerblich ist. Das kann nicht nur vom eigenen Account aus geschehen, sondern auch Influencer können weiterhin werben und diese Tags bei ihren Posts hinzufügen.
Dieser gut inszenierte Fashion Post der Bloggerin, Model und Sängerin Anine Bing zeigt deutlich, wie Social Commerce funktioniert. Das getragene Outfit ist mit der notwendigen Verlinkung versehen, die dem User anzeigt, wie viel das lässige graue Shirt kostet, wenn er den Look nachkaufen will.
Zusätzlich wird ein nahezu reibungsloses und angenehmes Kauferlebnis mit dem Social Commerce garantiert, da der potentielle Käufer direkt zum Online-Shop weitergeleitet werden kann, wenn ihm die Produktvorschau im Instagram-eigenen Webbrowser gefällt. Die leidige Google Suche entfällt dabei. Der eigentliche Kaufprozess findet dann jedoch auf dem externen Online-Shop statt.
Am Beispiel von veja sieht man, dass der potentielle Kunde auf eine Art Übersicht geleitet wird, wenn er sich für einen Schuh interessiert. Dort wird ihm automatisch die gesamte Produktpalette inklusive Preis vorgestellt. Wird sein Interesse dadurch verstärkt, kann er über einen Klick auf den richtigen Online-Shop weiter geleitet werden und den Kauf vollenden.
Warum gerade der Markt auf Instagram so boomt, liegt am Konzept. Instagram versteht es, das Beste von allen gängigen Social Media Plattformen zu vereinen. So wird am relativ neuen Format IGTV deutlich, dass sich Instagram momentan in Richtung YouTube bewegt und sich dort das Angebot mittlerweile überschneidet. Unterschiedliche Bedürfnisse können damit in einer App befriedigt werden. Ob Instagram den Giganten ablöst, bleibt fraglich, da das Hauptaugenmerk nach wie vor auf Bildern bleibt. Doch die Videofunktion bietet die Möglichkeit Produkte und Marken noch intensiver vorzustellen.
Tipp:
Für den Verkauf sind jedoch Bilder langfristig besser geeignet. In Zeiten einer immer mehr schwindenden Aufmerksamkeitsspanne, ist es klar, dass einzelne Bilder schneller konsumiert werden können als minutenlange Videos. Ergo können auch mehr Angebote in kurzer Zeit über Bilder an den Endabnehmer vermittelt werden, als es Videos tun würden.
6. Gibt es eine Bezahlfunktion auf Instagram?
Bisher mussten die User auf den externen Online-Shop bei Interesse weitergeleitet werden. Wie es aussieht, kann sich das jedoch in Zukunft ändern. Instagram testete 2019 in den USA mit 20 ausgewählten Marken einen Bezahlprozess, der direkt in die App stattfindet. User müssen dafür nur noch einmalig ihre Bezahlmethode wie Paypal oder Kreditkarte hinterlegen und können dann ab sofort direkt in der App bestellen und bezahlen. Die Usability profitiert davon enorm. Fehlerquellen wie zu langsames Laden oder Online-Shops, die für den Instagram eigenen Browser ungeeignet sind und zum Absprung vom Kaufvorgang führen, werden keine Rolle mehr spielen.
Nicht nur die Anbieter profitieren von dieser nahezu perfekten Usability. Auch Instagram würde einige Vorteile aus der neuen Funktion ziehen.
- Zum einen fallen für die Händler Gebühren an, die Instagram pro Verkauf erhebt.
- Zum anderen, und das ist deutlich interessanter, erhält Instagram bzw. der dahinter stehende Gigant Facebook wertvolle Daten über seine Nutzer. Solche Daten machen die Plattform für werbetreibende Unternehmen noch interessanter, sodass hier eine Win-Win-Situation für Facebook und Unternehmen entsteht.
Angesichts dieser Vorteile kann man davon ausgehen, dass diese Weiterentwicklung zukünftig stark forciert wird. Auf der f8 Facebook Konferenz im Mai können dazu mehr Informationen erwartet werden.
7. Fazit
Social Commerce entwickelt sich ständig weiter und wird zukünftig noch einfacher und schneller werden. Das darin liegende Potenzial ist gewaltig und kann von Unternehmen auf vielfältige Art genutzt werden. Wichtig zu beachten ist der User Intent bei der Nutzung der Plattform und darauf aufbauend die Auswahl passender Produkte mit ansprechender Präsentation. Die wichtigsten Faktoren zur Auswahl der Produkte sind der notwendige Wow-Faktor und der Preis. Mit raffinierten Marketingstrategien wie künstlicher Verknappung können zusätzliche Impulse zum schnellen Kauf über Social Media gesetzt werden.
Unternehmen müssen jedoch auch beachten, dass mit zunehmender Beteiligung am Social Commerce auch eine zunehmende Abhängigkeit von den Social Media Plattformen entsteht. Besonders fallen auch mit steigendem Umsatz die Verkaufsgebühren der Plattformen ins Gewicht.
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Björn Erbslöh ist Business Director bei suxeedo. Als Spezialist für Online-Kommunikation verfügt er über mehr als zehn Jahre Erfahrung in den Bereichen internationales Social Media und Content Marketing.