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TikTok Marketing: Wie weit ist die Professionalisierung?

Mit 800 Millionen Nutzern weltweit hat sich TikTok in kürzester Zeit in die Top 10 der größten Social Media Plattformen gekämpft. Immer mehr Influencer aber auch Unternehmen integrieren die Plattform nach und nach in ihr Social Media Marketing. Björn Erbslöh beleuchtet Chancen und Risiken der Plattform und stellt Best Practice Beispiele vor.

1. Was ist TikTok?

Die Smartphone App TikTok, in China unter Douyin bekannt, ist in diesen Tagen in aller Munde. Angesichts einer massiven Reichweite ist sie zu den Social Media dominierenden Giganten wie Facebook und Google aufgestiegen. Wie konnte sich die App aus China in wenigen Jahren so stark verbreiten?

Angefangen hatte das Konzept mit der App musical.ly. 15-sekündige Lip Sync- oder Tanzvideos konnten hier von den Nutzern selbst aufgenommen, mit Tonspuren oder Songs unterlegt und geteilt werden. 2016 erzielte die App mit dem Konzept bereits 140 Millionen User weltweit. Anlass genug für den Technologiekonzern ByteDance aus Beijing die App für rund 800 Millionen US-Dollar aufzukaufen und mit TikTok fusionieren zu lassen. TikTok hat derzeit die größte Playback-Video-Community weltweit und ist gleichzeitig die führende Kurzvideo-Plattform im asiatischen Raum.  Mit einer Börsenbewertung von knapp 75 Milliarden US-Dollar gilt ByteDance als das wertvollste Start-Up im Januar 2020 weltweit.

Und heute?

Mittlerweile baut die Plattform TikTok ihr Angebot aus. Die Zeitspanne für Aufnahmen wurde auf 60 Sekunden erweitert und kann mit visuellen Effekten wie AR-Filter (Augmented Reality Filter, der das reale Bild um virtuelle Effekte erweitert) und angesagten Songs von den Nutzern kombiniert werden. Zusätzlich legt die App den Schwerpunkt auf Comedy, Unterhaltung und Vlogs und legt angeblich sehr viel Wert auf künstliche Intelligenz. Offiziellen Aussagen zufolge ist der Algorithmus sehr stark von Artificial Intelligence (AI) geprägt und liefert damit im Vergleich zu Facebook oder Instagram einen noch stärker user-zentrierten content aus. Die führende Rolle von chinesischen Unternehmen in Bezug auf AI untermauern diese Aussagen.

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2. Wer nutzt TikTok?

Die Plattform TikTok boomt. Allein im Januar 2020 wurden 51,64 Millionen Downloads des sozialen Netzwerks nur über den Google Play Store weltweit gezählt – Tendenz steigend. Das spiegelt sich auch in den erzielten Reichweiten der einzelnen User bzw. Influencer wider. Loren Gray erzielte an der Spitze als Top Influencer im Februar 2020 38,9 Millionen Follower. Wer eine Kooperation in dieser Größenordnung als Unternehmen erreicht, hat die Chance auf immense Reichweite.

  • Die Nutzer sind im Gegensatz zu den bekannten Social Media Giganten, wie Instagram und Facebook, deutlich jünger und stammen hauptsächlich aus der Generation Z. Die Altersspanne liegt zwischen 13 und 24 Jahren, wobei TikTok jedoch langfristig versucht, auch ältere Generationen anzusprechen.
  • TikTok ist international aufgestellt, wird derzeit jedoch deutlich mehr in Asien und den USA genutzt. In Europa nehmen die Nutzerzahlen allerdings stark zu. Ende 2019 gab es in Deutschland bereits knapp 8 Millionen App Downloads. Zudem expandiert TikTok via Werbemaßnahmen weiterhin sehr stark.

Statistik zum Download der App TikTok

3. Wie sieht die Benutzeroberfläche von TikTok aus?

Das besondere an TikTok ist, dass die Nutzung auch ohne Anmeldung funktioniert. Dieses Feature gibt den Usern die Möglichkeit, die App unverbindlich für sich selbst auszutesten. Die kurzweiligen Clips verführen zum Verweilen auf der App und ziehen den User in einen Sog von Videos. Schnell werden dem Nutzer einige Video- und Story-Formate besser als andere gefallen, sodass der Weg zur Registrierung dann nicht weit entfernt liegt. Um selbst Videos hochzuladen oder mit anderen Nutzern zu interagieren, muss ein Benutzerkonto erstellt werden. Auch Kommentare werden erst mit der Registrierung sichtbar.


Beispiel für die Benutzeroberfläche von TikTok

4. Digital Marketing mit TikTok 

Zwar ist TikTok aus Marketing-Sicht noch in den Kinderschuhen, doch wer jetzt investiert, kann sich als Early Adopter von der Konkurrenz abheben. Die junge Zielgruppe birgt großes Potential für digitales Marketing – angesichts dessen sind bisher verhältnismäßig wenige deutsche Unternehmen auf TikTok vertreten. Anders sieht es auf dem asiatischen Markt aus. Dort werden verschiedene Kommunikations- und Kooperationsansätze bereits erprobt und können im Sinne des Offpage Benchmarkings auf den deutschen Markt übertragen werden. TikTok stellt solche Best Practice Kampagnen Beispiele sogar auf seiner Webseite vor und gibt somit genügend Input für Inspiration:


Auszug aus der Website von TikTok

Die verschiedenen Kampagnen werden jeweils vorgestellt und die Erfolge anhand einzelner KPIs transparent gemacht.

Maybelline Kampagne als Case Study auf der Seite von TikTok

Grundlegend gibt es für die junge Plattform noch kein einheitliches Erfolgsrezept. Es wird noch viel ausprobiert und getestet. Gerade bei solch einer jungen Zielgruppe kommt das Beschreiten neuer Wege gut an und wird mit Engagement und Reichweite belohnt.

Es bieten sich drei Arten, TikTok kommerziell zu nutzen, an. Wer breiter aufgestellt sein möchte, hat die Möglichkeit, die drei Ansätze im TikTok Marketing zu kombinieren.

  1. einen eigenen Kanal erstellen und pflegen
  2. Kooperation mit dort bereits vertretenen Influencern
  3. TikTok Ads schalten und bezahlen mit dem TikTok Ads Manager 

 

Wer den klassischen Weg über bezahlte Werbung geht, muss erst checken, ob die Self-Serving-Ad-Plattform in seinem Gebiet verfügbar ist. Über einen TikTok Manager muss eine Kampagne administriert und geschaltet werden (Stand Februar 2020). Wer die Option hat, kann aus vier verschiedenen Kampagnen-Möglichkeiten wählen:

  • Hashtag-Challenge: TikTok bewirbt Hashtags aktiv und hebt sie gegen Bezahlung hervor
  • Infeed Native Video: Video Ads werden den User passend angezeigt
  • Branded Lenses & Effekte: Foto- und Videofilter für das Gesicht oder animierte Objekte werden dem Nutzer zur Verfügung gestellt (ähnlich zu Instagram und Snapchat)
  • Branded Takeovers: Vollbildwerbung beim Öffnen der App

Ähnlich wie bei anderen Social Media Plattformen, können Business-Accounts erstellt oder normale Profile umgewandelt werden. Als Unternehmen hat man über den Business-Account Zugriff auf Statistiken zum eigenen TikTok Auftritt und kann sich so einen Überblick über Followeranzahl, Interaktion oder Reichweite schaffen.

5. Hashtag Challenges im Marketing nutzen

Ein sehr markantes Merkmal der TikTok Community ist die Challenge des sozialen Netzwerks. Über Hashtags werden Challenges veröffentlicht und gehen im besten Fall viral. So hat beispielsweise der Moderator und Schauspieler Jimmy Fallon im Rahmen der Tonight Show zur #tumbleweedchallenge auf TikTok aufgerufen.

Jimmy Fallon ruft auf TikTok zur Challenge auf

Um mitzumachen, mussten sich die TikTok User plötzlich auf den Boden fallen lassen und wie ein Steppenläufer durch das Bild rollen. Fallons Aufruf führte zu über 800.000 geteilten Videos und mehr als 10,4 Millionen Engagements unter den TikTok Nutzern. 

Solche Challenges können sich auch Unternehmen und Marken zu Nutze machen. H&M hat das früh erkannt und sich dem Trend angeschlossen. Unter dem Hastag #HMGetTheLook wurden die User vom Unternehmen animiert, drei verschiedene Outfits der Kollektion “Thank you, next” zu präsentieren.

Der Hashtag #HMGetTheLook als Challenge von H&M auf TikTok

Das Unternehmen H&M erzielte mehrer Effekte:

  • User gelangen über den generierten Link direkt zu Landingpage der Kollektion.
  • Um Teil der Challenge zu sein, muss der Nutzer natürlich auch bei H&M einkaufen. Die Challenge bietet also einen tollen Kaufanreiz – und das gleich dreifach: denn Aufgabe ist die Präsentation drei verschiedener Outfits 
  • Auch im Sinne des Social Selling hat TikTok die Usability optimiert. Ohne die App zu verlassen, kann die Landingpage im TikTok-eigenen Browser geöffnet und geshoppt werden. Die Bounce Rate wird dadurch stark reduziert.
  • Das Mitmachen erzielte Unmengen an user-generated content und macht das Unternehmen somit sehr nahbar.
  • Die Challenge selbst erzielte am Ende 134,3 Millionen Aufrufe und hat damit in kürzester Zeit bei minimalem Aufwand für das Unternehmen enorme Reichweite generiert.


Genauso machte es Zalando. Der im September 2019 vorgestellte neue Marken-Claim wird als Hashtag #freetobe genutzt und soll für Gleichheit, Einzigartigkeit und Selflove werben. Zalando positioniert sich damit sehr deutlich und gibt eine große Identifikationsfläche.
Hashstag #freetobe als Challenge von Zalando auf TikTok

Die User werden dazu animiert, unter dem Hashtag ihre Persönlichkeit, Einzigartigkeit und Talente zu präsentieren. Damit entsprechen sie voll und ganz dem Selbstbild und Zeitgeist der Generation Z. Das Ganze wird mit einem zur Challenge dazugehörenden Song unterlegt, der wiederum mit Zalando verlinkt ist. So wird jeder user-generated content, der zu diesem Hashtag entsteht, automatisch zum Account von Zalando führen.

6. Welche rechtlichen und politischen Feinheiten gibt es?

In den letzten Monat kam es vermehrt zu scharfer Kritik. Gerade die Datenproblematik, die auch andere Social Media Netzwerke wie Instagram, Facebook oder Whatsapp betrifft, nimmt bei TikTok neue Dimensionen an. Fraglich bleibt, ob und wie die chinesische Regierung Zugriffe auf persönliche Daten der Nutzer hat und ob sie Inhalte beeinflussen kann. Beispielsweise wird der Plattform vorgeworfen, absichtlich Inhalte von Menschen mit Behinderungen in der Reichweite zu beschränken. Diese Maßnahme wurde mit der Verhinderung von Mobbing begründet. Genauso soll es sich mit Inhalten aus der LGBTQ-Community  oder regierungskritischen Videos verhalten. Im Gegensatz zu anderen Social Networks soll TikTok unterhalten und keinerlei Bezug zu Politik zulassen. Es bleibt abzuwarten, wie die User damit umgehen und ob sich die Regulierung diesbezüglich lockern wird.

7. Fazit

Insgesamt sieht die Landschaft im TikTok Marketing in Deutschland noch überschaubar aus, sodass es sich lohnt zu überdenken, ob man ins TikTok Marketing einsteigt. Dafür sprechen einige Vorteile:

  • TikTok wächst rasant. Durch das recht junge Alter der Plattform ist der Content noch nicht übersättigt und die User lassen sich schnell und einfach begeistern.
  • Insbesondere Employer Branding und Recruiting können mit TikTok sehr erfolgreich gestaltet werden. Durch die fast ausschließlich vertretende Generation Z erreichen Unternehmen ihre Nachwuchskräfte, z. B. Auszubildende, genau da, wo sie sich aufhalten.
  • TikTok stellt bereits mit seinem TikTok Ads Manager das perfekte Tool zur Verfügung und erleichtert so das Monitoring der Marketingaktivitäten.
  • Zwar sind bisher mehr Unternehmen aus den Bereichen Beauty, Fitness, Travel, Mode und Elektronik auf TikTok präsent, doch auch für den B2B-Sektor kann es langfristig interessant werden. Die bisherige Unterrepräsentation der B2B-Unternehmen kann mit der richtigen Strategie viel verstecktes Potential zu eigen machen.

Es sprechen aber auch einige Punkte gegen die Plattform TikTok:

  • Zwar bietet TikTok den Ads Manager an – jedoch nur in bestimmten Regionen. Bis dato muss man sich für den Zugang bewerben und wird ggf. durch TikTok zugelassen. Die gute Nachricht: ab Januar 2020 soll der Rollout in Europa starten.
  • Die Zielgruppe auf TikTok ist recht einseitig. Es wird schwer, Nutzer über 30 zu finden, auch wenn TikTok sich mittelfristig mit weiteren Funktionen bemüht, ältere Zielgruppen anzusprechen.
  • Das Konzept der Plattform bedarf eines Real-Time-Marketings. Was zum einen Echtzeit-Interaktion mit der Zielgruppe bedeutet, heißt wiederum auch, dass lange Entscheidungswege fehl am Platz sind und den Erfolg auf TikTok behindern.

Björn Erbslöh

Business Director

+49 (0) 30 60 986 89 61

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