Hat das Nutzerverhalten Einfluss auf das Ranking?
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Ob das Nutzerverhalten ein indirekter oder direkter Rankingfaktor ist, ist schon lange Diskussionsthema in der Welt der Suchmaschinenoptimierung. Grund für die Diskussion ist unter anderem der Konzern Google, der nur sehr sporadisch und gerne paradoxe Äußerungen zum Thema abgibt. Umso relevanter ist das Sammeln und Einordnen aller bestehenden Informationen zum Nutzerverhalten.
Das Nutzerverhalten wird mithilfe sogenannter User Signals gemessen. Hierbei handelt es sich um Signale, die der Nutzer beim Benutzen von Online-Inhalten sendet. Das können zum Beispiel
- die Verweildauer (Time-On-Site),
- das Klickverhalten
- oder die Bounce Rate sein.
Manche SEO-Experten nehmen nun an, dass das Ranking durch solche Signale der Besucher beeinflusst wird. Die Annahme basiert auf der logischen Verknüpfung von dem Nutzerverhalten und der Relevanz oder Qualität eines Suchergebnisses.
Theoretisch betrachtet, bieten User Signals wichtige Anhaltspunkte, um eine Webseite zu bewerten und helfen bei der Optimierung der Suchergebnisse.
1. Welches Instrumentarium nutzt Google für die Auswertung des Nutzerverhaltens?
- Chrome:
Der Marktanteil von Google Chrome liegt bei 50%. Zwar hat das Unternehmen bestritten, User-Daten zu untersuchen, allerdings fehlt hier generell ausreichende Transparenz. Datensätze sind jedoch vorhanden. Folglich muss sich auch der Frage gewidmet werden, was mit diesen Daten gemacht wird. Die Möglichkeit einer Verwendung der User-Daten für die Bewertung und Analyse der Webseiten seitens Google, besteht zumindest.
- Referrers:
Der Referrer hilft Google beim Eruieren von Teilen der Webseite, die besonders stark vom Nutzer besucht werden. Dieses Nutzerverhalten bietet hilfreiche Hinweise für das Einschätzen, was auf der Webseite als besonders relevant vom Nutzer empfunden wird.
- Google Analytics:
Das Verwenden der Google Analytics Daten, um zu ermittelt, wie relevant eine Webseite ist, ist ebenfalls nicht verwunderlich. Warum sollte eine Webseite mit vorrangig positiven User Signalen nicht von der Suchmaschine bevorzugt werden? Zwar bezieht Google auch die persönliche Suchhistorie eines Nutzers ein, doch darüber hinaus hat die Suchmaschine den Anspruch, dem Nutzer den relevantesten Content entsprechendem seinem Intent zu generieren. Zum einen könnte das interessant sein für die Suchergebnisse der Nutzer ohne Suchhistorie zum Suchbegriff – zum anderen kann eine Personalisierung der Suchergebnisse kombiniert mit den generellen Analytics-Daten der Webseite zu einem optimierten Relevanz-Match für den Nutzer führen. Zwar verneinte Google bisher in Bezug auf das Ranking Analytics Daten zu nutzen, jedoch ist nicht eindeutig, ob Google ferner anonymisierte Daten einschließt.
- Return-to-SERP:
Die Return-to-SERP-Rate beschreibt den Anteil der User, der von einer Webseite zurück auf die Suchergebnisse springt. Auch die Nutzung dieser Kennzahl hilft bei der Bewertung einer Webseite hinsichtlich ihrer Relevanz und wird von Google für das Erstellen der SERPs genutzt. Besonders wichtig ist an dieser Stelle das Überprüfen, ob der Nutzer seine Suche nach der Rückkehr zu den SERPs verfeinert hat. In diesem Fall kann davon ausgegangen werden, dass die Zielseite doch hilfreich war.
2. Wie positioniert sich Google dazu?
Die Diskussion über den Einfluss und die Bedeutung von User Signalen nimmt seit Jahren nicht ab. Die Meinungen sind geteilt. Statt subjektiver Meinungen sollten jedoch zunächst Fakten betrachtet werden:
- 2012 führte die Federal Trade Commission eine Untersuchung des Konzerns Google durch. Google äußerte sich im Verfahren offiziell in Bezug auf die von der Untersuchungskommission vorgelegten Fragen. Im FTC Report mit von Google-Ingenieuren getätigten Zeugenaussagen steht, dass Klickdaten von Google genutzt werden (S. 14, 26, 82). Das Wall Street Journal stellt auf ihrem Server die Unterlagen zur Verfügung. Im folgenden sind Ausschnitte der besagten Seiten zu sehen, die klar aussagen, dass User Signals Einfluss auf das Ranking nehmen.
- John Mueller Mitarbeiter von Google, sagte 2015, dass es zu schwer sei, für eine Interpretation und Analyse die so genannten “noisy signals” heranzuziehen.
- Ranking Engineer Paul Haahr, präsentierte 2016 den Beitrag “How Google works”. Teil der Präsentation war ein CTR-Beispiel mit dem er auf Live A/B-Tests von Algorithmen hinwies. Interessanterweise zieht er dabei genau das Beispiel heran, dessen Systematik zuvor schon im Report der Federal Trade Commission Erwähnung fand.
- 2017 hatte Fionn Kientzler von suxeedo die Gelegenheit John Mueller zu treffen und hakte nochmal nach. John Mueller gab daraufhin einen interessanten Hinweis:
“Wir benutzen User-Signale zum A/B-Testing von Algorithmen.”
Demnach kann wohl niemand User Signals als Rankingfaktor von vornherein ausschließen. Zusätzlich validiert das Gespräch das bereits vorgestellte Beispiel in der Paul Haahrs Präsentation.
- Auch 2017 fand die Anmeldung eines neuen Google-Patents (NO 9,727,653 B2) statt. Das Patent hob die Mutmaßungen um einen Zusammenhang von Ranking und Noisy Signals auf ein neues Level. Folgendes Ziel verfolgte das Patent:
“Learn a correct ranking from noisy expressions of user preferences.”
- Auf die Frage bezüglich seines persönlichen Fokus bei der Optimierung einer Seite, erwiderte John Mueller 2018, dass die erste Priorität für ihn die Usability habe. Daher würde Mueller nicht zuerst interne Verlinkungen oder HTML-Code optimieren, sondern stattdessen gemeinsam mit Benutzen schauen, wie sie das Ziel erreichen. Wie kommen die Nutzer auf der Webseite zurecht? Welche Unklarheiten oder Probleme tauchen beim Besuchen auf? Wenn der Nutzer nicht weiß, was zu machen ist, wisse es die Suchmaschine es erst recht nicht.
- Auch das Statement eines Google Mitarbeiters im Februar 2019 ist interessant. In einem Hangout der Google Webmasters zum Thema “User Experience” vermittelte er, dass die Usability zwar ein Rankingfaktor sei – jedoch nicht der primär am wichtigsten.
- Zusätzlich wird in dem Hangout (01. Februar 2019) ein Vergleich herangezogen, der darstellt, wie die Usability das Ranking beeinflusst.
“Sofern alle Seiten einen ähnlich hohen Pagespeed haben, spielen kleine Unterschiede im Pagespeed keine Rolle.”
Damit ist gemeint, dass viele Seiten im Suchergebnis zu einem bestimmten Suchergebnis eine gleichwertig gute Usability vorweisen können. Selbst kleinere Vorteile können dadurch ins Gewicht fallen.
Könnte das, wenn man einen Schritt weiter denkt, bedeuten, dass die Usability einen signifikanten Unterschied auf das Ranking bewirkt, wenn alle weiteren Faktoren recht ähnlich sind? - Gary Illyes, auch Google-Mitarbeiter, beteiligt sich am 07.02.2019 an einer Reddit AMA Session und schrieb, dass Verweildauer, CTR oder ähnliche Theorien “erfundener Mist” sein und Googles Algorithmen mit viel simpleren Mechanismen arbeiten.
In diesem Statement bezieht sich Illyes auf eine Aussage des Mitbegründers von SparkToro Rand Fishkin. Fragwürdig bleibt jedoch, ob Illyes überhaupt ausreichende Einblicke in RankBrain und den dessen Algorithmus hat, um eine fachliche Beantwortung der Aussage vorzunehmen. Ferner macht Illyes Aussage nicht deutlich, ob und wie Daten des Nutzerverhaltens von RankBrain verwertet werden. Jedenfalls wirkt es widersprüchlich, wenn historische Daten der Suchanfragen genutzt werden aber gleichzeitig gesagt wird, dass User Signals nicht berücksichtigt werden.
3. Wäre es in Googles Interesse, wenn das Nutzerverhalten kein Rankingfaktor wäre?
In diversen Blackhat-Foren wird sich derweil über VPN und Crowd-basierte Klick-Manipulationen ausgetauscht. Dort wird gemutmaßt, dass sich solche Manipulationen als durchaus erfolgreich entpuppen können. Hier könnte also ein ähnliches Problem auf uns zukommen, wie beispielsweise Spam-Links deren Vermeidung hohe Kosten auf Seiten Googles verursacht haben. Wäre es nicht daher strategisch klug aus Sicht von Google, Halbwahrheiten durchsickern zu lassen, um die ungeliebten Spammer auf den Holzweg zu führen?
4. Die UX – wie wichtig ist sie?
Es ist unmöglich, die Kausalität der Rankingfaktoren zu determinieren. Daher ist es auch nicht schwer, basierend auf eigenen subjektiven Präferenzen Rankingfaktoren zu nihilieren. Übrig bleiben am Ende Beobachtungen, anhand derer vorsichtige Hypothesen aufgestellt werden können. Auch im SEO findet man grundsätzlich eine akzeptierte Mehrheitsmeinung. Laut dieser gehören Links, Pagespeed und Content zu den wichtigsten Rankingfaktoren. Google-Mitarbeiter bestätigten nun ja sogar einige von diesen Faktoren. Zudem wurden von Google Empfehlungen zum Nutzungserlebnis im “UX Playbook” verschriftlicht.
Alle Attribute und Komponenten einer Webseite, die laut Google ihren Teil zu einer optimalen User Experience beitragen, werden in den UX Playbooks erläutert. Die PDFs sind für jeden zugänglich und können auf den Google Webservern abgerufen werden.
Auch die mobile Suche mit dem Smartphone darf dabei nicht vernachlässigt werden. Selbst Google forscht hier und veröffentlicht regelmäßig Untersuchungen und Studien. Beispielsweise untersuchte der Konzern 2016 in einer Studie, wie der Nutzer vorgeht, wenn er sich informieren möchte. Dabei kam raus, dass der Nutzer immer häufiger zum Smartphone greift, wenn er sich informieren will oder Inspiration sucht.
Zu den Momenten, in denen der Nutzer am häufigsten nach Informationen sucht, zählen:
- Lebensmittel: Wie koche ich X,Y? Was ist das Gemüse der Saison?
- Allgemeinwissen: Welche aktuellen Nachrichten sind verfügbar?
- Einkaufen: Gibt es einen kostenfreien Rückversand?
Für solche Anfragen greifen 66% der Nutzer zum Smartphone. 85% der Nutzer geben sogar an, dass sie vor einer abgeschlossenen Transaktion eine relevante Aktion mit ihrem Smartphone durchgeführt haben.
Die mobile Suche und Smartphones verzeichnen ein immenses Wachstum bei der Bedeutung für das Auffinden bestimmter Informationen. Hier muss sich als Unternehmen also die Frage gestellt werden, ob nützliche und relevante Informationen auch in der mobilen Version der Webseite vorhanden sind. Nur so ist man auch in der Entscheidungsphase kurz vor einem Kauf präsent. Wer diesen Schritt bereits gegangen ist, darf nicht wertvolles Potential verschenken, indem er verfehlt, mobile Interaktionen entsprechend auszuwerten.
5. Beispiel: AO-Waschmaschinen
Fionn Kientzler verglich auf dem Seoday für den Suchbegriff “Waschmaschine” die üblichen Rankingfaktoren. Der transaktionale Begriff ist hart umkämpft und Unternehmen wie Amazon, Otto oder Saturn treten besonders dominant auf. Schaut man in die SERPs fällt jedoch ein eher unbekanntes Unternehmen ins Auge. AO befindet sich auf dem 2.Platz in den Suchergebnissen und das sogar vor Saturn oder Otto. Genaueres Hinschauen lohnt sich, da das Unternehmen AO weder eine bekannte Marke ist noch Otto oder Saturn die Stirn bieten könnte. Auch eine TermLabs.io-Analyse verrät, dass der Content der Webseite nicht besonders stark ist. Ähnlich schwach verhält es sich mit dem Linkprofil (LRT Analyse) und dem Pagespeed (PageSpeed Insights). Wieso rankt ein Unternehmen wie AO dennoch so gut? Was sind die Kriterien, die AO trotzdem zu einem scheinbar relevanten Suchergebnis für die Suchanfrage machen? Dafür wurde die Seite hinsichtlich ihrer User Experience untersucht und mit der Otto-Website verglichen.
- Angebotsstruktur:
Die Darstellung der Angebote ist übersichtlich. Der Nutzer hat die Möglichkeit durch das Angebot zu browsen, ohne seine Kontrolle über die getätigte Vorauswahl zu verlieren. - Filter Usability:
Um das gewünschte Produkt mit Hilfe der Filtereinstellungen zu finden, wurde deren Bedienung besonders intuitiv und einfach gestaltet. Alle Optionen und Einstellungen wurden visuell aufbereitet. Zudem wird dem Nutzer simultan zu der vorgenommenen Einstellung neben dem Filter die Anzahl der verfügbaren Geräte angezeigt.
- Farbgebung:
Dafür wurde zunächst die Verwendung des white space auf beiden Seiten verglichen. Die weißen Flächen auf Ottos Seite kommen auf 41,52% wohingegen das Konkurrenzunternehmen AO einen Wert von 69,54% erreicht. Der Content einer Webseite wirkt umso reduzierter, desto mehr Weißraum vorhanden ist. Damit ist das Produkt selbst im Fokus und wird dem User Intent gerecht, welcher hier transaktional ausgerichtet ist. Der Nutzer hat als klares Ziel den Kauf. Er braucht daher Produktdetails und keine ablenkenden Inhalte. Darauf aufbauend lässt sich argumentieren, dass der verstärkte white space als besonders angenehm in diesem Kontext vom Nutzer empfunden wird. - Incentivierung:
Der Nutzer sieht beim Besuchen der Webseite Incentivierungen, die sich zwar gestalterisch vom Rest der Webseite abheben, jedoch nicht störend auffallen.
- Produktdarstellungen:
Die visuelle Aufbereitung der Produkte ist ansprechend für den Besucher. - Testimonials:
Dem User werden an prominenter Stelle Testimonials präsentiert. Kundenmeinungen mit Sternebewertungen verleihen der Webseite und dem Unternehmen einen glaubwürdigen Charakter. - Ratgeberelemente:
Scrollt man weiter nach unten auf der Webseite, findet man kurze und knappe Ratgeberinhalte durch Headline, Icon und Link angeteasert. Diese Maßnahme unterstützt den User bei seinem Einkauf.
Auch die Webseite von Otto besitzt die eben analysierten Elemente, jedoch kann die User Experience bei einigen Punkten nicht mithalten und bedarf einiger Maßnahmen:
- Die Darstellung der Angebote ist nicht übersichtlich.
- Die Ratgeberinhalte gleichen einer SEO-Textwüste.
- Die Incentivierung wirkt eher störend und hebt sich kaum ab. Die Webseite wirkt dadurch eher überladen.
- Die Filterfunktion schneidet im Vergleich schlechter ab und wirkt unnötig kompliziert.
- Die Kundenbewertungen sind zwar neben dem Produkt platziert, aber wirken durch die zahlreichen Details verloren und verfehlen ihre Wirkungskraft.
- Auch die Darstellung selbst der Produkte ist uninteressant und lässt die Produkte schnell als verwechselbar erscheinen.
Der Anbieter AO bietet weder auf Grund des Pagespeeds, des Linkprofils noch inhaltlich einen wirklichen Grund für das Top-Ranking. Auch die Marke ist seinen Konkurrenten eigentlich nicht gewachsen. Allerdings sticht die UX besonders positiv hervor im Vergleich zu den Wettbewerbern. Unternehmen wie Otto oder Saturn ist also geraten, Maßnahmen zu ergreifen, die bei der User Experience ansetzen und eine signifikante Verbesserung erzielen.
6. Fazit: Nutzerverhalten – verschenktes Potential?
Ob das Nutzerverhalten wirklich Relevanz für das Ranking hat, spaltet die Gemüter. Jedoch bedarf die Thematik eine differenzierte Betrachtungsweise. Die vorgestellten Beobachtungen deuten auf eine Auswertung des Nutzerverhaltens hin. Warum sollte die Suchmaschine kein Interesse daran haben, das Verständnis für seine Nutzer und ihre Signale zu verbessern? Und warum sollten solche Ergebnisse nicht dazu genutzt werden, die Relevanz eines Suchergebnisses besser einschätzen zu können? Die Technologie wird sich zukünftig immer weiter entwickeln, sodass zu erwarten ist, dass sich die Kompetenz und Kapazität für die Analyse und Bewertung der User Signals verbessern wird. Gerade im Bezug auf “Intelligent Assistance” die uns im Alltag begegnet, ergibt die Auswertung des Nutzerverhaltens zwecks Website-Scoring Sinn. Schlussendlich beeinflusst der gebotene Mehrwert der Suchmaschine für den User die User Experience – ein Mehrwert, der sowohl auf dem individuellen Suchverhalten basiert als auch auf der von der Allgemeinheit empfundenen Relevanz.
Wem dieser Artikel nicht reicht, sollte ein Blick in das User Signals Booklet werfen! Hier wird auf die Bedeutung der User Signals für das Ranking eingegangen, erklärt wie mit besserer User Experience mehr User Signals generiert werden und Top-Learnings aus unserer Case Study vorgestellt.