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Live Shopping: Social Commerce trifft individuelle Beratung

In Asien gehört Live Shopping schon länger zu den erfolgreichsten Social Commerce Formaten. In Deutschland steht es noch am Anfang. Gemeinsam mit Experte Thorwald Erbslöh erklären wir, welche Potenziale darin stecken.

Einkaufen gehen, ohne das Haus zu verlassen – was Anfang der Neunziger vielen noch als revolutionär erschienen sein mag, ist durch Amazon & Co. seit fast zwei Jahrzehnten gelebte Selbstverständlichkeit. Dank immer komplexerer Shopware Systeme und selbstlernender Algorithmen übernehmen Online Shops inzwischen immer stärker auch die Beratung. Das analoge Shopping Erlebnis im Geschäft samt Rückfragen und Empfehlungen, können sie aber nicht abbilden. Hier kommt Live Shopping ins Spiel.

1. Was ist Live Shopping?

Live Shopping kombiniert Live Stream, E-Commerce und Social Media zu einem ganzheitlichen Shopping Erlebnis, das die Vorzüge des Online Shoppings mit dem Service des analogen Einkaufens verbindet. Marken verkaufen gemeinsam mit Influencer:innen und Expert:innen im Rahmen von Social Media Live Streams Produkte. Kund:innen können individuelle Fragen stellen und sich die Waren zeigen und erläutern lassen. Eine Art interaktives Teleshopping sozusagen mit dem Vorteil des Rückkanals.

Vor allem die Pandemie und die damit einhergehenden Lockdowns haben zu einer stärkeren Verbreitung von Live Shopping Formaten und Events geführt. Inzwischen sind zahlreiche B2C Marken auf den Zug aufgesprungen. Von Zalando über Peek & Cloppenburg bis hin zu Globetrotter. Die Popularität des Social Commerce Formats ist nicht überraschend. Zum einen gibt es durch Influencer:innen und Teleshopping einen gewissen Wiedererkennungswert. Auf der anderen Seite ermöglicht die Interaktion das Gefühl einer individuellen Beratung – im eigenen Wohnzimmer.

2. Wo kommt Live Shopping her?

Doch Live Shopping oder Live Stream Shopping, wie es auch genannt wird, ist keineswegs eine aus der Pandemie geborene Neuheit. Im Gegenteil, gerade im asiatischen Markt erfreut sich das Format seit einigen Jahren großer Beliebtheit. Das mag nicht verwundern, sind Japan und China doch in Sachen Social Commerce schon seit Jahren Vorreiter.

Das chinesische Social Media Netzwerk Alibaba verfügt mit Taobao Live bereits über eine eigene Live Shopping Plattform. Hier steht die Interaktion mit den User:innen im Vordergrund. Diese sind keineswegs stumme Zuschauer:innen. Vielmehr bestimmen sie durch ihre Fragen und Wünsche den Ablauf erheblich mit, lassen sich etwa bestimmte Produkte zeigen und beschreiben.

2.1 Content Commerce

Ein Stichwort, das in diesem Zusammenhang immer wieder fällt, ist Content Commerce. Thorwald Erbslöh, Geschäftsführer der Social Media Agentur bluehouse, die zu den führenden Anbietern für Live Shopping Lösungen in Deutschland gehört, erklärt, was hinter Content Commerce steckt:

“Content Commerce bedeutet vor allen Dingen, dass Produkte über Inhalte vertrieben werden. Also weg von werblichen Slogans, hin zu Argumenten, die auf Augenhöhe kommuniziert werden. Eben so, wie die Beratung im Shop, nur auf digitalen Wegen. Da kommt mit Live Stream Shopping nun ein wichtiger Vertriebskanal in Europa hinzu.“

3. Warum ist Live Shopping relevant?

Es wurde bereits anfangs angerissen: Das Kaufverhalten der Menschen hat sich durch die Pandemie nachhaltig verändert. Stationäre Geschäfte spüren das am stärksten. Viele Kund:innen sind dauerhaft ins Internet abgewandert. Das betrifft auch Zielgruppen, die vorher selten bis gar nicht online eingekauft haben. Diese zurück in die Geschäfte und Einkaufszentren zu holen, gestaltet sich schwierig. Der Point of Sale hat sich noch nachhaltiger ins Internet verlagert.

Hinzu kommt die wachsende Unsicherheit hinsichtlich der Inflation sowie der stark steigenden Gas- und Strompreise. Dementsprechend zurückhaltend ist das Konsumverhalten vieler User:innen geworden. Live Shopping kann hier zum Hebel werden. Wer genauer auf seine Budgets achtet, wird sich intensiver die Frage stellen, ob er:sie ein Produkt wirklich braucht bzw. ob es seinen Preis wert ist und die Erwartungen erfüllt.

Durch die Interaktivität des Formats können diese Fragen bereits vor dem Kauf geklärt werden. Potentielle Kund:innen können etwa darum bitten, dass ein bestimmtes Produkt näher an die Kamera gehalten wird oder Fragen dazu stellen. Somit steigt die Wahrscheinlichkeit eines Kaufs.

3.1 Social Commerce immer beliebter

Darüber hinaus baut das Live Shopping Erlebnis auf bewährten Social Commerce Strategien auf. Ein Teil der Zielgruppe kennt bereits die Shopping Funktionen von TikTok, Instagram & Co. Produkte via Social Media Plattformen zu kaufen ist per se also nicht neu. Dementsprechend niedriger ist die Hemmschwelle, dies auszuprobieren.

Zudem hat die Pandemie nicht nur das Kauf-, sondern auch das Medienverhalten vieler Menschen nachhaltig beeinflusst. Die Social Media Nutzung ist sprunghaft angestiegen. Bisher gibt es keine Zeichen, dass sich dieser Trend umkehrt. Die Plattformen arbeiten an immer weiteren Features, um Marken und Einzelunternehmer:innen Möglichkeiten anzubieten, Waren zu verkaufen. Gleichzeitig sind diese Anwendungen so gestaltet, dass die Customer Journey für User:innen möglichst klar und kurz ist. So besteht der Weg vom digitalen Windowshopping zum Kaufabschluss häufig nur in einem oder zwei Klicks.

CTA Banner Social Commerce Whitepaper

3.2 Standortunabhängig und ohne Medienbruch

Und das ganz ohne Medienbruch, der häufig zu einem Abbruch des Kaufs führt. Im Vergleich zu klassischem Social Commerce ist die Wahrscheinlichkeit, dass ein Kauf getätigt wird, bei Live Shopping sogar noch höher. Denn durch den begrenzten  Zeitrahmen und die Möglichkeit der Interaktion lassen sich alle relevanten Informationen für eine Kaufentscheidung in Kürze generieren. Viele Marken werben außerdem mit exklusiven Rabatten für Live Shopping Events.

In Deutschland bekommt das Thema laut Thorwald Erbslöh immer mehr Relevanz:

„Der reale Bewegungsraum wurde durch die Pandemie massiv eingeschränkt und vieles ins Digitale übertragen. So eben auch im Bereich Shopping. Bereits Anfang 2021 hat eine Studie des Forbes Magazins herausgefunden, dass rund zwei Drittel der Konsument:innen heute Social Media als wichtig für ihr Online Shopping sehen. Und das merken nun auch Unternehmen in Deutschland.“

4. Wie funktioniert Live Shopping?

“Im Prinzip ist Live Shopping das moderne Verkaufsfernsehen – nur mit den interaktiven Möglichkeiten der sozialen Medien. Dadurch können Zuschauer:innen im Livestream Fragen stellen, darum bitten, Ware noch einmal näher zu betrachten oder z. B. ein Oberteil in einer anderen Kombination zu sehen – und durch die technische Umgebung ist man dann nur noch einen Klick vom Kauf entfernt.”

Live Shopping wird heutzutage oft noch mit spezieller Software auf den Websites, vor allem aber in den Apps der Marken umgesetzt. Manchmal werden auch im Vorfeld Links verschickt oder via Social Media kommuniziert. Diese Lösung ist zwar pragmatisch, birgt aber die Gefahr, dass nur ein Bruchteil der potentiellen Zielgruppe davon mitbekommt bzw. aktiv auf den Link klickt. Grund hierfür sind die in Deutschland bisher noch relativ beschränkten Möglichkeiten des Formats auf Social Media Plattformen.

4.1 Live Shopping auf Instagram

Auf Instagram lassen sich Produkte zwar mit der internen Shopping Funktion in Live Streams darstellen und auch direkt zum Kauf anbieten. Die visuellen Möglichkeiten sind jedoch begrenzt. Die Plattform lässt bloß eine Kamera zu, ein hin- und herschalten zwischen verschiedenen Perspektiven ist so nicht möglich. Eine Schnittstelle für Filmproduzent:innen oder Regisseur:innen gibt es bis dato nicht. Das kann für Zuschauer:innen schnell anstrengend werden.

Um diese Einschränkung zu umgehen und Marken die vollen Vorteile des Social Commerce Kanals zu ermöglichen, gehen Agenturen wie bluehouse für ihre Kund:innen individuelle filmische Wege. Für eine unkomplizierte, schnelle Customer Journey lässt sich auch die Shopify SoldLive: FB & IG Live Selling App einbinden, die für Metas Social Media Plattformen konzipiert wurde.

4.2 Live Shopping auf YouTube

YouTube rollt derzeit erweiterte Live Shopping Features aus. Nutzer:innen, die über einen Online Shop mit unterstützter Shop Software (bspw. Shopify) verfügen, können dadurch Projekte direkt im Live Stream anbieten. Darüber hinaus ermöglicht die Videoplattform ihren Creator:innen auch, besondere Rabatte anzubieten und Live-Umfragen durchzuführen.

Diese Features wurden bereits im letzten November im Rahmen eines einwöchigen Testlaufs gezeigt und erfreuten sich bei Creator:innen großer Beliebtheit. Es ist damit zu rechnen, dass die Anwendungen bis Jahresende auch in Deutschland für YouTuber:innen verfügbar sind.

5. Für wen eignet sich Live Shopping

Warum das Social Commerce Format für viele Marken so attraktiv ist, sollte inzwischen klar geworden sein. Doch für wen eignet sich die Social Commerce Strategie langfristig? Im Moment, so Thorwald Erbslöh, richten sich die meisten Bemühungen noch an Endverbraucher:innen:

“Wir setzen aktuell meist Live Shopping Formate für Mode, Lifestyle und Beauty Brands um. In diesen Bereichen funktioniert das Format bereits super.”

5.1 B2C Unternehmen

Alle Marken, die sich direkt an Endkund:innen wenden, sollten ein verstärktes Interesse am Live Shopping haben. Natürlich gibt es hier Branchen und Produktkategorien, die offenkundig geeigneter erscheinen als andere. Fashion, Skincare, Elektronik und Lifestyle etwa. Alles Produkte, die sich gut inszenieren lassen und zu denen Nachfragen in der Regel relativ schnell und einfach beantwortet werden können.

Doch auch nischigere Produkte mit kleinerer Zielgruppe lassen sich übers Live Shopping verkaufen. Hierbei kann es sinnvoll sein, Fachexpert:innen hinzuziehen, die vor laufender Kamera die Wirksamkeit der Produkte – bspw. Schädlingsbekämpfung – erläutern und für Fragen offen stehen. Oftmals lohnt die Zusammenarbeit mit bekannten Gesichtern. Dabei kann es sich um veritable Influencer:innen oder auch bekannte TV-Persönlichkeiten handeln, sofern sie glaubhaft für das Produkt bzw. die Marke stehen.

5.2 B2B Unternehmen

B2B Unternehmen verkaufen in der Regel zwar keine Produkte, die sich klassisch präsentieren lassen. Dennoch kann Live Shopping für sie zum wichtigen Social Commerce Kanal werden. Denn im B2B Sektor geht es häufig um spezialisierte, erklärungsbedürftige Produkte und Services. Im Rahmen von Live Shopping Events können daher Entscheider:innen eingeladen werden, die sich neue Lösungen individuell und im Detail von Fachkräften erklären lassen.

Für eine spitze, spezialisierte Zielgruppe ist das Format ideal. Denn die Möglichkeit der Interaktion und die individuelle Präsentation kann beispielsweise einen Besuch vor Ort oder auf einer Messe ersetzen bzw. flankieren. So können schon im Vorfeld wichtige Fragen geklärt werden. Der Vertrieb kann sowohl Bestands- als auch potentielle Neukund:innen via Newsletter und persönliche Ansprache auf die Live Shopping Termine hinweisen oder einladen. Darüber hinaus wissen Vertriebler:innen meist, welche Fragen Kund:innen am meisten interessieren. Daher sollten sie in die Planung des Live Shopping Events eingebunden werden.

6. Ausblick: Wie es mit Live Shopping weitergehen wird

Live Shopping steht in Deutschland gerade erst am Anfang. Doch ein Blick auf die Marken, die das Social Commerce Format schon als Kanal nutzen und die angekündigten Features der Social Media Plattformen, zeigt auf, in welche Richtungen es gehen wird. Thorwald Erbslöh geht davon aus, dass sich mit dem Format besonders Impulskäufer:innen erreichen lassen. Die Kombination aus Produkten, die für sie relevant sind, Markenbotschafter:innen und Influencer:innen, denen sie vertrauen und der einfachen Handhabe macht Live Shopping zu einem echten Erfolg.

Zwar sind derzeit In-App-Käufe im DACH Raum noch nicht möglich, sodass User:innen zum Kauf in den Online Shop der Händler umgeleitet werden. Doch Änderungen diesbezüglich sind schon deutlich zu erkennen. Sind diese implementiert, wird sich das Format auch längerfristig etablieren.


Fionn Kientzler

Fionn Kientzler

Managing Partner

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