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Mit der Storytelling Methode zu mehr Markenwert

Wird Storytelling überbewertet oder vernachlässigt? Die Erfahrungen vieler Unternehmen zeigen: Mit der richtigen Geschichte gewinnt jede Marke an Wert.

1. Was ist Storytelling?

Definition:
Die Storytelling Methode ist ein systematisches Verfahren, in welchem durch den Einsatz dramaturgischer Strukturen Inhalte emotionalisiert und implizite Informationen nachhaltig im Gedächtnis der Rezipient:innen gelagert werden.

 

Storytelling ist der neue Mode-Begriff im Content Marketing. Wird jedoch häufig nur oberflächlich verstanden oder ganz falsch eingesetzt. Allerdings können Geschichten im richtigen Kontext nicht nur den Mehrwert von Inhalten, sondern auch den Wert einer Marke erhöhen.

Zunächst also ein paar Richtigstellungen: Eine Geschichte kann man dann erzählen, wenn es um Menschen geht – nicht um Produkte oder Dienstleistungen, also eher bei Testimonials oder bei viralen Videos. In Produktbeschreibungen oder Ratgeberartikeln spielen nur der unmittelbare Informationsnutzen eine Rolle. Stories wirken hier eher störend. Schöne Bilder und ansprechende Texte auf Shop-Landingpages gehören nicht in den Anwendungskontext von Geschichten, weil sie aufgrund ihres limitierten inhaltlichen Formates gar nicht die Storytelling Methode anwenden können. Aber was sind denn die Mechanismen einer Geschichte?

Content, der performt CTA Banner

2. Wie funktionieren Geschichten?

Alle erfolgreichen Erzählungen sind nach der gleichen Storytelling Methode aufgebaut:

  • Es gibt einen Helden bzw. eine Heldin, es gibt einen Konflikt und einen Sieg am Schluss.
  • Der Kern einer jeden Geschichte ist die Wandlung, eine Weiterentwicklung des Helden bzw. der Heldin oder seiner bzw. ihrer Umwelt.

Wie im richtigen Leben: Eine Entwicklung beginnt, wenn der Held oder die Heldin seine bzw. ihre Comfortzone verlässt und sich auf das Unbekannte einlässt – dies natürlich oft widerwillig. Menschen haben Mängel und sind sich dessen nicht immer bewusst oder gar bereit, sich aus freien Stücken zu verändern. Leser:innen, Zuhörer:innen oder Zuschauer:innen identifizieren sich aber mit Charakteren, wenn sie glaubwürdig erscheinen und nachvollziehbare Konflikte in sich tragen.

Ist die Verbindung zwischen den Konsument:innen, dem Helden oder der Heldin und seiner bzw. ihrer Welt erst einmal hergestellt, gehört alle Aufmerksamkeit dem Erzähler bzw. der Erzählerin. Die Kunst besteht nun darin, die Aufmerksamkeit zu erhalten, um die eigentliche Message am Schluss zu transportieren. Wie das geht?

Indem die Protagonist:innen nun auf glaubwürdige Hindernisse auf dem Weg zum Glück treffen. Dabei ist es egal, ob der Held oder die Heldin mit seinem bzw. ihrem Selbstwertgefühl oder wie bei Star Wars gegen einen ganzen Todesstern kämpfen muss – wenn das Publikum dem Erzähler bzw. der Erzählerin die Rahmenbedingungen (Protagonist:innen und Umwelt) “abkauft”, dann glaubt es auch an die Konflikte einer Geschichte.

Lego Superman Figur

Auf dem Weg zum Sieg trifft der Held oder die Heldin Freund:innen, die ihm bzw. ihr helfen, und Feind:innen, die ihn bzw. sie vor schwere Prüfungen stellen. Mit den Hindernissen wachsen der Wille, der Charakter und die Fähigkeiten des Helden bzw. der Heldin, um die einschneidende Konfrontation erfolgreich zu meistern. Die Belohnung ist oft ein Gegenstand, ein Elixier oder eine Selbsterkenntnis. Der Held oder die Heldin kehrt als Sieger:in nach Hause, jedoch sind er bzw. sie selbst und manchmal sogar die Heimat der Held:innen verändert. All diese Elemente der Storytelling Methode lassen sich auf drei Aspekte reduzieren: Protagonist:in, Ziel und Hindernisse.

Tipp:
Natürlich variiert jede Geschichte – je nach Inhalt und Form. Allerdings dienen die Mechanismen der Dramaturgie jedem Erzähler bzw. jeder Erzählerin als Orientierung, um eigene Inhalte spannend zu gestalten.

 

Der amerikanische Drehbuchautor Syd Field erklärt: “Warum ist Dramaturgie so wichtig? Weil sie ein Mittel ist, das Ihnen helfen kann, Ihre Geschichte in eine spannende Form zu bringen.” Es gibt unendlich viele Inhalte, doch das Muster für eine gute Dramaturgie verändert sich kaum. Wenn Leser:innen, Zuschauer:innen oder Zuhörer:innen von einer Geschichte überzeugt sind, dann fühlen sie sich unterhalten – Mehrwert, welcher in jedem Fall einen Nährboden für erfolgreiches Seeding bietet.

3. Wie ist die Storytelling Methode aufgebaut?

Das Muster, der einfache dramatische Bogen, besteht aus fünf Stationen:

Storytelling Spannungsbogen
Der Spannungsbogen basiert auf der dramaturgischen Drei-Akt-Struktur von Aristoteles

1. Exposition (Einführung)

  • Die Rahmenbedingungen für die Geschichte werden definiert.
  • Alle wichtigen W-Fragen werden beantwortet und bieten den Rezipient:innen (Zuschauer:innen, Leser:innen, Zuhörer:innen) indirekt Hilfestellung, um den weiteren Verlauf der Geschichte zu verstehen.
  • Die Exposition ist gelungen, wenn sie einen Mikrokosmos etabliert, auf den die Zuschauer:innen sich einlassen möchten.

2.  Erster Wendepunkt (Aufbau des Konflikts)

  • Die Wende: Ein Konflikt zeichnet sich in der etablierten Welt ab.
  • Ein Antagonist oder eine antagonistische Kraft tritt auf, die dem Helden oder der Heldin entgegenarbeitet.
  • Der Held bzw. die Heldin, die Identifikationsfigur, sieht sich zum Handeln gezwungen und ist Träger der Handlung.

3. Höhepunkt

  • Der dramatische Höhepunkt der Geschichte.
  • Der Konflikt befindet sich auf dem Höhepunkt und wird ausgetragen.

4. Zweiter Wendepunkt (Abbau des Konflikts)

  • Die zweite Wende: Das Schicksal des Helden bzw. der Heldin wendet sich zum Guten.
  • Eine Lösung des Problems, ein Ausweg oder ein Elixier erscheint und ist eng mit dem Handeln und dem eigentlichen Charakter des Helden bzw. der Heldin verknüpft.

5. Schluss

  • Glückliches Ende des Konflikts. Die Ausgangssituation wird wiederhergestellt.
  • Jedoch ist der Mikrokosmos des Helden oder der Heldin nicht mehr wie zuvor – aufgrund der inneren Weiterentwicklung und/oder äußeren Veränderungen in der Umwelt.

4. Was ist essentiell für eine gute Geschichte?

Im Mittelpunkt einer Geschichte steht niemals ein Produkt sondern immer ein:e Held:in.

Das Glücksgefühl des Sieges am Ende einer Geschichte basiert auf dem vorausgegangenen Konflikt, mit dem sich der Mensch identifizieren kann. Eine Story handelt grundsätzlich von einem Helden oder einer Heldin, der seine bzw. die ihre vertraute Welt verlässt, Prüfungen unterzogen wird, Freund:innen und Feind:innen trifft und am Ende siegreich und gestärkt zurückkehrt. Diese Heldenreise ist es, die inspiriert, aufrüttelt und Spannung erzeugt.

Kind im Superhelden Kostüm

Die Storytelling Methode bei Ratgeberartikeln mit denen sich Nutzer:innen informieren oder E-Books, die als PR Instrument eingesetzt werden, oder gar in der Optimierung von Conversion Pfaden, ergibt wenig Sinn. Um eine emotionale Bindung und eine Identifikation zu einem Konflikt zu ermöglichen, muss ein Mensch als Identifikationsfigur dienen. Der Corporate Story Architect Tobias Dennehy erklärt in seinem “Storytrain Manifesto”: “Jede Geschichte braucht einen Helden. Einen menschlichen Helden, dem das Drama passiert. Produkte können keine Helden sein.”

Menschen identifizieren sich mit Menschen, welche universale, menschliche Konflikte reflektieren und in Beziehung zu einer Umwelt stehen. Egal ob der Held oder die Heldin in eine Konfliktsituation gerät, mit anderen Figuren interagiert und dabei innere Konflikte lösen muss: Die Identifikationsfigur ist Teil einer Konstellation von Charakteren, deren Konflikte in einer Handlung ausgetragen werden. Das Konstrukt der Geschichte ist also nicht nur unterhaltsam, sondern bietet den Menschen Antworten zu den alltäglichen Fragen des Lebenseine Erkenntnis, welche Marketers der Zukunft berücksichtigen werden.

5. Beispielgeschichten

Die Storytelling Methode findet in viralen Videos, in denen menschliche Reaktionen im Zentrum stehen, eine starke Anwendung. Die Protagonist:innen durchleben eine emotionale Entwicklung und gewinnen am Ende eine entscheidende Erkenntnis.

5.1 Beauty Sketches: You’re more beautiful than you think von Dove

In dem Video “Beauty Sketches: You’re more beautiful than you think” von Dove beginnt die Geschichte im Stil einer Dokumentation mit einem Gerichtszeichner, welcher sich kurz vorstellt.

Mehrere Frauen erzählen von einem fremden Ort, einem Zeichenbrett und einem Mann, welcher ihnen Fragen zu ihrem Aussehen stellt. Die ersten Bilder, Töne und die Erzählungen der Frauen verketten sich zu den Rahmenbedingungen einer Geschichte und die Zuschauer:innen stellen gemeinsam mit den Protagonist:innen im Video fest: Der Gerichtszeichner porträtiert die Frauen gemäß ihrer Selbstbeschreibungen.

Die inhaltliche Dramaturgie des Videos macht sich die Mechanismen des der Dramaturgie zunutze:

1. Exposition: 00:00 bis 00:20

  • Die Rahmenbedingungen und der Mikrokosmos der Geschichte wird in Bild und Ton erläutert.
  • Ein Mann stellt sich bei den Zuschauer:innen als Gerichtszeichner vor und die Frauen beschreiben die Situation und das Setting: Sie werden gebeten, in einem großen Raum Platz zu nehmen. Kurz erblicken sie ein Zeichenbrett, bevor es hinter einem Vorhang verschwindet.
  • Anschließend werden die Frauen von dem Zeichner zu ihrem äußeren befragt, sehen ihn jedoch nicht.

2. Erster Wendepunkt: ab 00:20

  • Die Frauen begreifen, dass sie von dem Mann gemäß ihrer eigenen Beschreibungen gezeichnet werden.

3. Konfrontation: 00:20 bis 01:00

  • Die verschiedenen Frauen beschreiben sich selbst und tendieren zu einem eher abwertenden Selbstbild

4. Der zweite Wendepunkt: ab 01:00

  • Der Gerichtszeichner bittet die Teilnehmer:innen, nicht sich selbst, sondern ihm die anderen Frauen zu beschreiben und beginnt auf dieser Grundlage mit neuen Porträts.

5. Schluss: ab 01:27

  • Das Experiment wird aufgelöst. Der Zeichner konfrontiert die Frauen mit zwei unterschiedlichen gezeichneten Porträts ihrer selbst.
  • Ein Porträt entspricht der Selbstwahrnehmung der Frauen. Die andere Zeichnung entspricht der Fremdwahrnehmung durch eine andere Person.
  • Die Frauen sind überrascht, denn die beiden Bilder stehen im direkten Kontrast zueinander. Sie und die Zuschauer:innen gewinnen die Selbsterkenntnis, dass sie schöner sind, als sie sich zugestehen.

Das Video wurde über 65 Millionen mal auf Youtube angeklickt

5.2 Jeff Gordon: Test Drive von Pepsi

Eine ähnliche Anwendung der Storytelling Methode findet in dem Video “Jeff Gordon: Test Drive” statt. Hier wird jedoch mit der Chronologie des Erzählens gespielt und Spannung, bzw. “Suspense”, durch zusätzliche Informationen erzeugt.

1. Blick in die Zukunft: 00:00 bis 00:30

  • Die Zuschauer:innen erhalten einen Einblick in eine außergewöhnliche Situation, in welcher bereits ein vorgeschobener Wendepunkt auftritt: Eine Testfahrt mit einem Ford Mustang entwickelt sich für den Verkäufer zu einem Alptraum.
  • Diese Szene ohne weiteren Kontext soll das Interesse nach mehr wecken.

2. Exposition: 00:30 bis 02:00

  • Die Zuschauer:innen erhalten mit den Rahmenbedingungen gleichzeitig einen weiteren Wendepunkt für die Story, welcher ein neues Licht auf das Geschehen wirft.
  • Der Rennfahrer Jeff Gordon verkleidet sich, gibt sich unbeholfen und lässt sich von einem Autoverkäufer ansprechen.
  • Dieser bietet ihm eine Testfahrt mit dem Ford Mustang an. Jeff Gordon nimmt das Angebot an und lässt sich vom ahnungslosen Autoverkäufer begleiten.

3. Konfrontation: 02:00 bis 03:20

  • Sprung in die Zukunft. Der Autoverkäufer befindet sich im Beifahrersitz, flucht und brüllt. Aus der Testfahrt ist eine wilde Rennfahrt geworden.

4. Zweiter Wendepunkt: 03:20 bis 03:37

  • Die Testfahrt ist vorbei und der Autoverkäufer stürmt aus dem Auto. Er brüllt und will die Polizei rufen. Jeff Gordon offenbart sich und deutet auf die versteckten Kameras.

5. Auflösung: 03:37 bis 03:45

  • Der Autoverkäufer begreift die Situation, lacht und fragt Jeff Gordon, ob sie die Fahrt wiederholen können.

Das Video wurde über 44 Millionen mal auf Youtube angeklickt.

6. Wie kann die Storytelling Methode nun Umsatz und Markenwert steigern?

Ein Beispiel für den erfolgreichen Einsatz der Storytelling Methode im Content Marketing ist die Marke Red Bull. Längst geht es nicht mehr bloß um einen Energy-Drink, sondern um Geschichten von Extremsportler:innen, lebensgefährlichen Herausforderungen und spektakulären Stunts. Felix Baumgartners Sprung aus der Stratosphäre hat bei Youtube inzwischen über 38 Millionen Klicks erhalten.

Ob Taurin, Koffein oder Glukose: Vergleichbare Produkte wie von Monster oder Effect besitzen zwar die gleichen Inhaltsstoffe, bieten jedoch keinen vergleichbaren Content. Eine Marke wertet sich aber mit Geschichten auf, sticht heraus und bleibt im Gespräch. Andere Anbieter müssen um Aufmerksamkeit kämpfen, doch jeder kennt Red Bull – selbst solche, die ihn noch nie getrunken haben.

Wie viel die Storytelling Methode wert sein kann, lässt sich aus einem Vergleich ableiten: Red Bull gilt mit einem Marktwert von über 15 Milliarden Euro als die mit Abstand wertvollste Marke Österreichs. Der jährliche Umsatz beläuft sich dabei auf über 5 Milliarden Euro. Der Konkurrent Monster erwirtschaftete knapp 2 Milliarden Euro im Jahr und versucht nun diese Milliardenschwere Lücke mit eigenem Storytelling zu schließen.

Die erfolgreiche Kampagne von Old Spice mit dem Schauspieler Isaiah Mustafah beruht ebenfalls auf den Elementen der Dramaturgie und glänzt mit Humor.

Hier wurde zudem auf die Interaktion mit den Zuschauer:innen gesetzt. Der Erfolg des ersten Werbespots (inzwischen über 50 Millionen Klicks) führte zu weiteren Videos, an deren Gestaltung die Fans über Social Media aktiv teilnahmen: Sie durften dem “Old Spice Mann” Fragen stellen, in der Hoffnung von ihm ein persönliches Video als Antwort zu erhalten.

Die Geschichte von Old Spice wurde mit den Konsument:innen zusammen weiter geschrieben und durch einen interaktiven Dialog mit Influencer:innen gezielt verbreitet. Die Videoantworten wurden in der ersten Woche über 7 Millionen mal angeschaut, der Follower:innen Traffic auf der Old Spice Homepage wuchs um 2700 % und der Umsatz des Duschgels steigerte sich um 107%.

Diese Beispiele zeigen, dass der Einsatz der Storytelling Methode einen langfristigen Effekt auf das Image und den Wert einer Marke hat. Geschichten spielen eine Schlüsselrolle im Content Marketing. Sie verbinden Menschen mit Inhalten, indem sie Möglichkeiten zur Identifikation und einen Kontext für Marken schaffen – ein Mehrwert für die Konsument:innen, welcher zur eigenen Wertsteigerung führt.


Fionn Kientzler

Fionn Kientzler

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